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Vom Schneeberger Streitag

von Willi Jacob (aus „Das Buch vom getreuen Horlamann“ 1936)
 
Seit vierhundert Jahren feiern die erzgebirgischen Bergleute am Maria-Magdalenen-Tag (22. Juli), dem so genannten Bergstreittage, ihr Bergfest.

Schon vor der Reformation gab es in den Bergstädten besondere Feiertage, an denen vor eigenen Knappschaftsaltären und Bergkapellen der Belegschaft der einzelnen Reviere Bergprediten gehalten wurden. Alle Altarlehen und Stiftungen zur Unterhaltung der Bergmessen wurden nach der Reformation eingezogen und den Bergleuten drei so genannte Bergpredigten (zu Fastnacht, am Maria-Magdalenen-Tag und zur Kirchweihe) zugebilligt Alle besonderen Feiertage wurden 1539 abgeschafft, nur der Tag Maria-Magdalena blieb den Bergstädten als eigenes Fest und heiliger Feiertag. 1649 wurde auf Freiberger Antrag die Einführung von vier Quartalspredigten angeordnet, die jedes Mal bei der Abrechnung zu halten waren. Bei dieser Einrichtung verblieb es bis 1845, in welchem Jahre wegen verschiedener Übelstände die Bereinigung der Quartalspredigten zu einer einzigen, am Maria-Magdalenen-Tag, geschah.

Am Bergstreittag hielten die Bergleute fest, und alle Versuche, an diesem Bergfest zu rütteln, scheiterten an der Geschlossenheit der Knappschaften. Das musste schon 1737 der Freiberger Superintendent Wilisch erfahren, als er aus eigener Machtvollkommenheit die Feier dieses Tages auf den nächsten Sonntag verlegen wollte, angeblich, um sie mit den übrigen Kirchen des Landes in Übereinstimmung zu bringen. Das ließen sich die Bergleute nicht gefallen und streikten, bis ihnen endlich durch ein Restript vom 16. April 1738 zugestanden wurde, es solle bei dem Gottesdienst am Maria-Magdalenen-Tage bleiben, ebenso bei den Freischichten an diesem und am Karfreitage. Bei Gelegenheit dieser Erörterungen ergab sich auch, dass die Freiberger ebenso wie die Schneeberger den Tag seit länger als zwiehuntert Jahren schon feierten; sie hätten sich ihn „mit dem Schwerte erstritten“.

Die Veranlassung dazu findet der Chronist Christian Melzer im Aufstand der Schneeberger Bergleute in den Jahren 1496 und 1498. Er schreibt darüber:

„Bergleute haben allzeit das Lob gehabt, eines freien Gemütes zu sein. Und wenn diese Gemüts- und andere Freiheit hat wollen gekränkt, bestritten oder sonst verletzt werden, sind sie zum Aufstehen geneigt gewesen. Man hat aber davon nicht nur Begebenheiten aus dem Harz, in Joachimsthal und anderen Berggebieten, sondern auch besondere Denkwürdigkeiten auf dem Schneeberge. Denn da ist im Jahre 1496 all hier zum Schneeberg ein großer Aufstand der Bergleute gewesen, so gar, dass sie auch dazumal, weil man ihnen einen Groschen an ihrem Schauerlohn hat abbrechen wollen, ein Aufstehen gemacht und vom Berge teils nach Schlettau und auf die Lößnitz, teils auch nach Geyer sich gewendet haben, daher der damalige Hauptmann zu Zwickau, Adolf von der Planitz, Ritter und viel Landvolk den Schneeberg habe einnehmen müssen. Jedoch ist die Sache bald gütlich beigelegt worden, dass darauf die Bergleute, wiewohl von Geyer nicht alle wiederkamen, wieder an die Arbeit gegangen sind, nachdem sie erneut Treue geschworen hatten. Bald darauf haben die Schneeberger Bergleute mit ihrer Fahne im Jahre 1498 am Sonntag nach dem Fronleichnamstag das andere Aufstehen gemacht, dergestalt, dass sie den Hasplern und Jungen ihnen nachzufolgen geboten und widrigenfalls in Stücke zu zerhauen gedrohet. Darauf haben sie die Höhe über dem Wolfsberg eingenommen und den Zwickauern und Plauenschen, die abermals hergemusst und bei der Vogelstange gelegen, entgegenzuziehen angefangen, bald aber sich wieder herein in die Stadt begeben, als sie Nicol Meiner, welcher zur Zeit Richter und zuvor auch drei Jahre lang Bergmeister gewesen, neben Paul Flätiger mit Worten gelenket und wieder in die Stadt zu ziehen beredet, auch der Bergleute Fahne selbst wieder hereingeführt und auf dem Markt getragen, vom welchem sie hernach Heinrich von Schönberg genommen, zusammengewickelt und auf das Fundgrübnerhaus geschafft, von wo sie auch wegen solchen Missbrauchs nicht viel wieder ans Tageslicht gekommen ist…“

So hält der Name „Streittag“ die Erinnerung an diese Aufstände fest. Bei den Verhandlungen 1842/45 warf das Freiberger Oberbergamt in einer Verfügung die Frage auf, „ob es nicht angemessen und wünschenswert wäre, diese eine jährliche Bergpredigt sowohl mit einer gewissen erhöhten Feierlichkeit, namentlich einem solennen Bergaufzug, abzuhalten, als auch damit, wie in mehreren obererzgebirgischen Bergmannsvereinen stattfindet, ein eigenes bergmännisches Fest und eine passende Ergößlichkeit für die angefahrenen Mannschaften zu verbinden.“

Durch Verordnung des königlichen Finanzministeriums wurde daraufhin am 22. Juli 1846 der Bergstreittag mit Fest- und Bergpredigt durch einen prächtigen Bergaufzug begangen. Diese Bergaufzüge des 19. Jahrhunderts mit ihrer eindrucksvollen, malerischen Prachtentfaltung die die Gesamtbelegschaft in ihrer alterwürdigen, kleidsamen Tracht zeigten, übten stets eine große Anziehungskraft auf die Einwohnerschaft der Bergstädte und die zu dieser Zeit in unserer Heimat weilendenFremden aus, und immer waren die geräumigen Kirchen (gehören doch die ST. Wolfgangskirche zu Schneeberg, die St. Annakirche in Annaberg und der Freiburger Dom zu den größten Sachsens) zum Berggottesdienst dicht gefüllt.

Zu früheren Jahrhunderten fand der Streittag auch in Schneeberg eine größere Bergparade nur bei außergewöhnlichen Gelegenheiten statt, so anlässlich kurfürstlichen Besuchs 1665, 1672, 1678, in Freiberg z.Z. 1575, 1680 und 1681. Mit dem Streitag 1650 wurde die Feier des Friedensfestes und 1715 das 200jährige Dankfest der Einführung der evangelischen Lehre verbunden.

Bei vielen Fürstenbesuchen gab es in den Silberstätten prächtigere Aufzüge. So huldigten dem russischen Zaren Peter dem Großen 1701 gegen 2000 Bergleute mit brennenden Grubenlichtern und Fackeln,1708 und 1713 dem Kurfürsten und 1769 dem jungen Landesfürsten über 3000 Bergleute.
 
1733 vereinigten sich die Berg- und Hüttenleute des gesamten Erzgebirges, viele Zehntausende, um am Kurfürsten Friedrich August II. vorbeizuziehen; der Vorübermarsch soll über zehn Stunden gedauert haben.

Die letzte große Königsparade fand 1905 in Freiberg, der letzte größere Bergaufzug in Schneeberg im Juli 1913 statt; der Weltkrieg machte all dem ein Ende.

Mit dem Rückgange des Erzbergbaus waren die Bergaufzüge zum Streittage mit jedem Jahrzehnt kleiner und bescheideneer geworden; kamen doch in Schneeberg um 1885 noch gegen 800 Mann, 20 Jahre später nur noch knapp die Hälfte zur Bergparade zusammen. Die Abendmusiken des ehemals so stattlichen Bergchores, der bei Fackelschein seine Bergreihen sang, die mannigfachen Belustigungen der Knappen im Rahmen eines allgemeinen Bergstadt-Festes gehörten schon seit langem der Vergangenheit an.

Nach langer Pause wurde am 22. Juli 1933 der Bergstreittag mit seinem Bergaufzug wieder in Schneeberg gefeiert und soll nun - hoffentlich! - Jahr um Jahr die alte Überlieferung fortsetzen.
Der historische Schneeberger Bergparademarsch (Kniebügel-Marsch) ist im Verlag von Schmeil, Schneeberg im Druck erschienen.
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